Mittwoch, 31. Juli 2013

Fast vergessen: Der Preußische Militärbahnhof Schöneberg

Militärbahnhof Schöneberg um 1900. Copyright: Museen Tempelhof-Schöneberg von Berlin/Archiv
Zur Geschichte Schönebergs und der Roten Insel gehören die Eisenbahn - und das Preußische Militär. Während „gegenüber“, auf Tempelhofer Seite, noch die ehemaligen Kasernengebäude an der General-Pape-Straße von der Vergangenheit zeugen, muss man auf Schöneberger Gebiet schon sehr genau hinsehen, um steinerne Relikte der militärischen Vergangenheit zu finden. Doch es gibt sie.

unscheinbar: ehem. Rampendepot
Fast vergessen scheint dabei der erste Bahnhof in Schöneberg, der Preußische Militärbahnhof, der an der heutigen Wilhelm-Kabus-Straße stand, etwas südlich der Kolonnenstraße. 1875 wurde hier der Betrieb zum brandenburgischen Schießplatz Kummersdorf aufgenommen, später bis nach Jüterbog. Die Streckenführung erfolgte bis Zossen auf den Gleisen der Dresdner Bahn, von dort aus als Zweigbahn. Das Gelände in Schöneberg umfasste neben dem eigentlichen Bahnhofsgebäude mit zwei Haupt- sowie drei Nebengleisen mit Bahnsteigen zahlreiche weitere Anlagen: Lokomotiv- und Wagenschuppen, eine Reparaturwekstatt, eine Drehscheibe, eine Laderampe, eine versenkte Schiebebühne sowie Brunnen und Latrinen.

Kolonnenstraße Ecke W.-Kabus-Str. Rechts die
Havelland-Schule, ehemals Eisenbahnbrigade
Dass ein Militärbahnhof gerade an diesem Ort benötigt wurde, liegt auf der Hand: Nach dem Bau der Anhalter Bahn errichtete das Militär an der Kesselsdorfer Straße bis 1877 eine Kaserne für das 1. Eisenbahnregiment. Die Größe des Gebäudes kann man heute gut nachvollziehen: Bis vor kurzem stand hier noch die asbestverseuchte Schwielowsee-Grundschule, jetzt wartet das weitläufige Gelände auf den Baustart für die private Johannes-Schule. Auf dem damaligen Übungsplatz, dem heutigen Gewerbegebiet an der Naumannstraße, trainierten die Eisenbahnpioniere den Bau von Behelfsbrücken, das Reparieren und Verlegen von Gleisen oder das Anlegen von Tunneln.
Die Kasernenanlagen auf Tempelhofer Gebiet entstanden später schrittweise bis zum Ersten Weltkrieg für die wachsenden Eisenbahntruppen, aber auch für Versuche der Luftschiffer und eine Einheit der Kraftfahr-Abteilung.
zugewuchert: die Trasse
der Militärbahn
Vom Bahnhof aus, der im wilhelminischen Burgenstil errichtet und im Laufe der Jahre immer wieder umgebaut und erweitert wurde, erfolgte zunächst der Truppen- und Materialtransport nach Kummersdorf und zu einem weiteren Übungsplatz, der etwas später bei Clausdorf entstand.
Ab 1890 wurde die Strecke zwischen Schöneberg und Zossen auch zivil genutzt. Bis zu sechs Zugpaare pendelten zwischen dem bis 1920 selbständigen Schöneberg und Jüterbog.
Nach dem ersten Weltkrieg war infolge der deutschen Niederlage und der Versailler Verträge Schluss mit der Militäreisenbahn - und mit dem Schöneberger Militärbahnhof. Das Gelände wurde als Güterbahnhof Kolonnenstraße noch bis 1945 weiter betrieben, doch der Personenverkehr konzentrierte sich fortan auf die Dresdner Bahn Bahn. Nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg wurde die Bahnhofsruine schließlich 1955 abgerissen.
ehemaliges Materialdepot
Doch was ist heute noch zu sehen von der Vergangenheit? Es ist nicht viel übrig geblieben: An das ehemalige Bahnhofsgebäude erinnert rein gar nichts mehr. Aber was man kaum vermutet: Die beiden alten Backsteingebäude der Havelland-Schule an der Kolonnenstraße fungierten einst als Dienstgebäude der Eisenbahnbrigade. Die heutige Wilhelm-Kabus-Straße führte als Sackgasse auf das Militärbahn-Gelände, auf der westlichen Seite steht noch heute eine eher unscheinbare flache Baracke, wobei es sich um das nach Kriegsschäden wieder aufgebaute ehemalige Rampen-Depot handelt. Mit dem Ausbau der Straße zur Durchgangsstraße verschwanden vor wenigen Jahren die letzten Gleisreste. Auch erst in den letzten 15 Jahren fielen beispielsweise die Reparaturwerkstatt oder der „Neue Lokomotivschuppen“ dem Abrissbagger zum Opfer; hier stehen inzwischen nichtssagende Gewerbebauten. Bleibt noch das frühere Materialdepot, das im Gebäude am Ende der ehemaligen Zufahrtsstraße untergebracht war und seit den Zwanziger Jahren nach Aufstockung bis heute als Wohnhaus genutzt wird. Und nur Eingeweihte wissen, dass der Nord-Süd-Grünzug entlang der S-Bahn die Trasse des ehemaligen Verbindungsgleises zwischen Kolonnenbrücke und dem Südkopf des ehemaligen Militärbahnhofs nutzt.
Ruine um 1955. copyright: Museen Tempelhof-Schöneberg von Berlin/Archiv

Lageplan

4 Kommentare:

  1. Danke für den sehr schönen Artikel!

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  2. Ein hochinteressanter Rückblick in die Geschichte der "Insel", Bravo!

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  3. Guter Bericht, aber die Bahn fuhr aber auf einem seperaten Gleis. Auf Hinweise des Gleises sieht man zwar am Teltow-Kanal nichts, aber es gibt die Schnellzug versuche zwischen Marienfelde und Zossen, das hätte sonnst den Betrieb der Dresdenerbahn eingeschränkt (Zitat 15.10.1875 Eigenes Gleis für die "königliche Militäreisenbahn" von dieser Seite http://www.lichtenrade-berlin.de/historisches-bahn-und-verkehr ), und sie haben den Rekord der einige Zeit bestand vergessen der auf dieser Strecke erzielt wurde.
    Bis den

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  4. www.zeit-fuer-berlin.de Die damalige Dresdner Bahn wurde vom preußischen Fiskus dazu aufgefordert, neben ihren beiden Gleispaaren noch ein drittes Gleis für die Militäreisenbahn anzulegen, da ansonsten deren Bauprojekt nicht genehmigt werden könnte. Die Anlage dieses Gleises war mit einer der Gründe, warum der Dresdner Bahn kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden sein sollte und sie schließlich vom Staat übernommen wurde. Vort- und Fernbahn nutzen also immer ein Gleispaar, während das Gleis der Militärbahn nach 1918 auf alliiierte Annordnung weitestgehend demontiert werden mußte. Zeugen für die Militäreisenbahn gibt es auf Berliner Boden - jedoch außerhalb der "Roten Insel", noch so einige. Und den auf dem Gleis der Militäreisenbahn durchgeführten Hochgeschwindigkeitsexperimenten - für die der Oberbau des Militärgleises extra verstärkt wurde - wurde am S- Bahnhof Marienfelde ein Denkmal gesetzt.

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